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Archiv | 11 jul. 2015

Batmans Entwicklung – Ein Held für jede Epoche

Kaum ein Superheld bietet so viel Diskussionspotential wie Batman. Und da wären wir gleich bei der ersten Frage: Darf man Batman überhaupt als Superheld bezeichnen? Heruntergebrochen ist er kein Alien, kein Gott und auch nichts, das irgendwie mit chemischen Substanzen in Kontakt gekommen ist. Der dunkle Ritter ist Bruce Wayne, ein Multimilliardär mit viel technischem Spielzeug, das er gegen die Verbrechensbekämpfung einsetzt. Also zumindest ein Held. Oder? Auch in diesem Fall werfen wir mal einen genaueren Blick auf ihn. Sein Kostüm ist das einer furchterregenden Fledermaus. Und — zumindest seit einiger Zeit — tiefschwarz. Die Sith tragen schwarz. Die Nazgûl tragen schwarz. Voldemort trägt schwarz. Und andere Superhelden sind eigentlich immer … sehr bunt.

Das Kostüm ist jedoch nicht das einzige Merkmal an Batman, das sich im Laufe der Zeit verändert hat, was nicht verwundert, immerhin gibt es den dunklen Rächer schon fast achtzig Jahre. Dabei hat sich die Entwicklung seines Charakters mehrmals überschlagen und umgeformt. Im Folgenden geben wir euch einen groben Überblick, was die Medien (insbesondere die Comics) in den letzten Jahrzehnten so alles mit ihm angestellt haben. Und möglicherweise wird dadurch ersichtlicher, warum der Fledermausmann so viel Raum für Interpretationen bietet.

DIE GOLDENE ÄRA (30er/40er)

Batman als Gegenpol von Superman

Als Batman erschaffen wurde, war er einer von vielen. In Gegenwart eines Weltkriegs und wirtschaftlich schlechten Zeiten lechzten die Leute geradezu nach Comic-Superhelden. Doch als Autor Bill Finger und Zeichner Bob Kane zusammen den dunklen Fledermausmann entwickelten, hätte keiner vermutet, dass die Figur wie eine Bombe einschlagen würde. Seinen ersten Auftritt hatte Batman im Comicband Detective Comics #27, der im Mai 1939 erschien. Doch nachdem sich Batman in dieser Reihe zur beliebtesten Figur etabliert hatte und die Auflage drastisch steigerte, erhielt er ab dem Jahr 1940 seine eigene Reihe. Beim Design seiner Figur ließ sich Bob Kane von vier Schöpfungen inspirieren: Superman, Zorro, einer Zeichnung von Leonardo da Vinci für einen fledermausartigen Gleiter und dem Film The Bat Whispers. Witziges Detail: Batman sollte zuerst Bird-Man heißen. Wer den Film Birdman oder (die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) mit Batman-Darsteller Michael Keaton gesehen hat, wird humoristisch auf unterschiedlichen Ebenen angesprochen.

Entscheidend bei der Charakter-Erstellung Batmans war vorerst die Abkehr von den anderen, farbenfrohen, naiven und doch mächtigen Superhelden. Vor allem wollte man einen Kontrapunkt zu Superman erschaffen: Denn während der eine als Erlöser tagsüber im idyllischen Metropolis durch die Lüfte schwebt, schwingt sich der andere als Vigilant nachts durch das verkommene Moloch Gotham City. Möglicherweise liegt Batmans Erfolgsgeheimnis genau in diesen Unterschieden: Er hat keine Superkräfte. Er kämpft nicht aus rein edlen Motiven, sondern um die Ermordung seiner Eltern zu rächen. Er ist kein fröhlicher Strahlejunge, sondern jemand, der immer wieder mit dem Bösen konfrontiert wird. Batman ist nicht unser Vorbild, er ist eine Identifikationsfigur.

Trotz ihrer Gegensätzlichkeit arbeiteten Superman und Batman in enger Freundschaft zusammen. Sie jagten bereits Nazi-Saboteure, bevor die USA (in der wirklichen Welt) in den Krieg eingriff. Aber Superman war nicht die einzige Unterstützung, auf die Batman in seinen Abenteuern zählen konnte. Schon in den frühen Anfängen wurden ihm Dick Grayson alias Robin der Wunderknabe und Butler Alfred zur Seite gestellt. Ein soziales Umfeld war geschaffen. Und immer wieder ein Grund zur Diskussion: Batmans markantes Auftreten zog etliche kostümierte Schurken auf den Plan. Vermutlich gibt es keinen Helden, der so eine ungeheure Galerie an Gegnern aufweisen kann, die noch dazu mehr oder weniger durch ihn entstanden sind. Batman kennt da keine Skrupel. Unermüdlich jagt er Nacht für Nacht die gleichen Verbrecher und scheut sich in seinen ersten Abenteuern auch nicht davor, mal auf fahrende Autos zu schießen oder gar jemanden zu erhängen. Hierbei ein Zitat des selbst ernannten Rächers: „So sehr ich es hasse, Menschen zu töten, diesmal ist es wohl notwendig.“

DIE SILBERNE ÄRA (50er/60er)

Vom Sci-Fi-Helden zum heiteren Moralapostel

In den 50ern waren Superhelden in der Comicszene out. Batman gehörte zwar zu den wenigen Ausnahmen, die nie aus der Mode kamen, doch der Erfolg kostete ihn seine Persönlichkeit. Seine Abenteuer kreisten sich mit einem Mal um Außerirdische, Roboter und radioaktive Freaks. In der Ausgabe von Worldʾs Finest Comics wurde Superman zu seinem ständigen Begleiter. Doch auch in der Batman-Serie tauchten zunehmend grüne Aliens, Killerandroiden oder andere Gegner auf, die man vielmehr Superman zuordnen würde. In dem Comic Batman – The Superman of Planet X fliegt der Fledermausmann sogar durch die halbe Galaxis in eine fremde Welt, in der er Fähigkeiten besitzt, die die eines Sterblichen weit überragen. Scheinbar machte die damalige Science Fiction-Sucht auch vor den Comicmachern nicht halt. Und die Grenzen zwischen Superman und Batman verschwammen mehr und mehr …

Als schwerer Meilenstein in Batmans Entwicklung erwies sich das hysterische Essay des Psychologen Frederic Wertham über den angeblichen Zusammenhang zwischen Comic-Lektüre und Jugendkriminalität. Dadurch wurde die regulierende Comics Code Authority ins Leben gerufen und mit einem Mal waren in Comics Blut, sexuelle Anspielungen und übertriebene Gewalt untersagt. Batman agierte nun hauptsächlich tagsüber (!) und mutierte zu einer Art Promi in Gotham City, der sich sowohl auf Konfettiparaden als auch im Kampf gegen riesige Gorillas wohl fühlte. Insgesamt hatten die Comics dieser Zeit ein buntes und unbeschwertes Flair. Selbst Batmans Hauptgegner, der Joker, verwandelte sich von einem psychopathischen Mörder in einen harmlosen, theatralischen Verbrecher.

Batmans Familie gewann an Zuwachs, neben Robin und Alfred erschienen nun auch Batwoman, Batgirl und verstärkt Commissioner Gordon auf der Bildfläche. Der Hintergrund für die weiblichen Verbündeten lag vor allem darin, Werthams Anklage entgegenzuwirken, Batmans Männerhaushalt sei ein heimlicher homosexueller Traum. Das Ganze ging so weit, dass Alfred sogar durch Tante Harriet ersetzt wurde. Doch damit nicht genug mit den Seltsamkeiten, weitere ungewöhnliche Mitglieder der Familie waren der deutsche Schäferhund Ace und ein merkwürdiges Wesen aus der 5. Dimension, das sich Bat-Mite nannte. Spätestens jetzt blieben die Comichefte unbeachtet im Kioskregal liegen.

Als herausragend erfolgreich erwies sich in den 60ern die Serie mit Adam West. Produzent William Doizer gestand im Nachhinein, die Serie absichtlich so spießig gestaltet zu haben, dass Erwachsene sich darüber amüsieren konnten. Dies hatte zur Folge, dass Batman ständig mit moralischen Floskeln ala „Man sollte sich regelmäßig die Zähne putzen“ um sich warf. Oder er kehrte bei der Verbrechensbekämpfung noch einmal um, weil das Batmobil im Halteverbot stand. Der Batman der silbernen Ära war definitiv eine Sache für sich.

DIE BRONZENE ÄRA (70er/Mitte 80er)

Zurück zu den dunklen Wurzeln

Nach dem ganzen bunten Klamauk um Batman war es an der Zeit, den dunklen Ritter wieder wahrhaft dunkel zu machen. Dieser Aufgabe nahmen sich Autor Denny OʾNeil und Zeichner Neal Adams an und erschufen im Jahr 1973 den Schlüsselband The Jokerʾs Five-Way Revenge. Während der inzwischen erwachsen gewordene Robin ganz von der Bildfläche verschwunden war, kehrte der Joker zu seiner mordlüsternen Seite zurück. Von fünf Opfern gelingt es Batman in diesem Band gerade mal eines zu retten. Aber er besitzt einen unbezähmbaren Kampfgeist, der in sämtlichen kommenden Storys erhalten bleibt. Das Firmament für unseren alten/neuen Batman war gelegt: Als Einzelkämpfer gelingt es ihm leider selten, seine Mitmenschen vor dem Wahnsinn seiner Widersacher zu retten. Doch er gibt nicht auf. Batman entwickelt sich zu einer tragischen Heldengestalt, die sich nicht durch Sieg sondern Scheitern definiert.

Auch politisch gesehen setzt sich Batman von seinem früheren Ich ab. Seine Tendenz, Befehle lieber zu erteilen, statt sie zu empfangen, wird besonders deutlich durch seinen Austritt aus der Justice League. Dass Superman den Vereinten Nationen versprochen hatte, im zerrütteten Land Markovia nicht einzugreifen, kann Batman nicht akzeptieren. Er kündigt seine Mitgliedschaft und stellt sein eigenes Team auf: Die Outsider. Treffender Titel.

DIE DUNKLE ÄRA (80er/90er)

Der dunkle Ritter x-rated

Hauptsächlich Autor Frank Miller ist es zu verdanken, dass Batman in den 80ern ein düsterer Neuanfang geschenkt wurde. Sein Comic The Dark Knight Returns spielt in einer veränderten Zeitlinie, in der es keine Superhelden mehr gibt. Übrig sind nur noch Superman als Lakai der US-Regierung und ein alternder Batman, der sich ganze zehn Jahre nicht hatte blicken lassen. Er kehrt zurück, verbittert, brutal und voll innerer Zerrissenheit. Die Story hatte kaum Auswirkungen auf die generelle Kontinuität im DC Universum. Aber durch diesen Comic wurde die Phase für Batmans „Grim-and-Gritty“-Ära eingeleitet. Von nun an war unser dunkler Ritter eine richtig düstere Persönlichkeit, zerfressen von innerem Hass.

Nicht nur das Trauma seiner ermordeten Eltern wurde fortan thematisch ohne Ende ausgereizt. Zusätzlich folgten nach und nach immer mehr Vorfälle, die bei Batman jeglichen Raum für Humor eliminierten: der Joker tötete Jason Todd, den zweiten Robin. (Die Figur wurde bei einer Telefonumfrage von Fans abgelehnt.) Barbara Gordon alias Batgirl landete gelähmt im Rollstuhl – verantwortlich war wieder der Joker. Bane brach Batman den Rücken. Und das waren nur ein paar der elementaren Tiefpunkte.

Batmans Charakter war von Kontrasten geprägt. Er sträubte sich heftig dagegen, jemanden zu töten, doch Gewalt an sich setzte er gerne ein, um an sein Ziel zu kommen. Auch eine dazu gewonnene Tiefe ließ ihn nicht mehr nur noch gegen seine Widersacher kämpfen, sondern auch gegen die eigenen Psychosen und Obsessionen. (Ein weiterer Meilenstein in der Comicgeschichte: Arkham Asylum. Alles dreht sich mehr und mehr um Batmans innere Dämonen.) Außerhalb der fiktiven Welt häufte sich die Kritik, dass Batman als gesetzloser Reaktionär nur eine Gesellschaft schützen wolle, die ihm sein Leben in Wohlstand garantiere. Als Hauptmotiv für sein Verhalten galt jedoch nach wie vor das nicht abgeschlossene Kinedheitstrauma. Anti-Helden waren in diesen Zeiten beliebt. Und je älter Batman wurde, desto weniger schien er mit seinem Leben klar zu kommen.

Die anlaufenden Batman-Verfilmungen ignorierten die Comics der letzten Jahre beinahe vollständig. Während sich Tim Burton mit Batman (1989) und Batman returns (1992) bei seiner Charakterzeichnung noch halbwegs an den 70ern orientierte, waren die Filme von Joel Schumacher alberner Familienklamauk. Tatsächlich erinnerten Batman Forever (1995) und Batman & Robin (1997) stark an die 60er, in denen alles bunt und harmlos verlief. Wir halten dennoch fest: Der „richtig“ dunkle Ritter war geboren.

DIE MODERNE ÄRA (21. Jhdt)

BADman boomt

Ab dem Jahr 2005 kam niemand mehr an Batman vorbei. Seine kulturelle Berühmtheit war so umfassend, dass sie sich nicht nur auf zahlreiche Comicreihen beschränkte. Sie war auch in Christopher Nolans Film-Trilogie, Videogames und etlichen Zeichentrickserien im Fernsehen zu finden. Es kamen unter anderem neue Nebendarsteller dazu, Jason Todd kehrte von den Toten zurück und wurde der blutrünstige Red Hood; Bruce erhielt auch seinen Sohn Damian Wayne. Doch trotz der Batfamilie und anderer Freunde (Superman lässt sich auch immer mal blicken) bleibt Batman ein sich selbst quälender Einzelgänger. Die Unterstützung seines alten Mündels Dick Grayson, der inzwischen Nightwing geworden ist, lehnt er meistens ab.

Seine gesetzeslose Brutalität scheint nun in ihm verankert zu sein – so taucht er beispielsweise in einem der Detective Comics im Jahr 2012 einen Mann in eine Toilettenschüssel und bezeichnet diesen als Abfall. Warum? Verhörmethode. Natürlich. Ähnlich brutal zeigte sich Batman auch in Nolans Meisterwerk The Dark Knight ( 2008), als er auf dem Polizeirevier extra einen Raum versperrt, um ungehindert auf den Joker einschlagen zu können. Der dunkle Rächer schafft sich seine eigenen Regeln. Viele Fans fragen sich, wie Ben Afflecks Darstellung des dunklen Ritters im Film Batman v Superman ausfallen wird. Der Schauspieler äußerte sich dazu folgendermaßen: „Batman ist kurz davor, von seinem Hass und seiner Wut überwältigt zu werden. Er ist zynisch und verbittert.“ Scheint sich nicht viel verändert zu haben …

Aber trotzdem ist Batman doch immer noch ein Held, der für das Gute kämpft, oder? Es soll an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass er im Gegensatz zu den meisten anderen Helden oder Superhelden sich selbst die ethische Grenze gesetzt hat, niemanden zu töten, nicht einmal einen Massenmörder wie den Joker. Er wird es nicht müde, Gothams Verbrecher ins Gefängnis oder in die Irrenanstalt Arkham Asylum zu bringen. Vielleicht ist es gerade diese komplexe Konstruktion von Gut und Böse, die an Batman so fasziniert. Selbst seine Schurken sind ein Spiegelbild seiner Zerrissenheit. Mal kämpft er gegen sie, dann wieder mit ihnen. Mal verprügelt er sie krankenhausreif, dann rettet er ihnen das Leben. Batmans Reich ist ein schattiger, düsterer Spielplatz. Und so lange wir Grund haben über ihn zu diskutieren, so lange wird er auch in unseren Köpfen bleiben.

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