Archiv | 15 dec. 2016
Meinung: Warum geben in modernen Serien immer die Männer den Ton an?
Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Die meisten von uns sind stolz darauf, in dieser Epoche zu leben und bejubeln die zahlreichen Entwicklungen auf ein vermeintlich höheres Level. Technisch gesehen mag das durchaus stimmen. Denn was sind inzwischen ein einfaches Telefon oder ein Fernsehgerät gegen den multifunktionalen All-in-One-Computer, den wir uns täglich in die Hosentasche schieben? Doch wie sieht es eigentlich sozial aus? Frauen haben sich in den letzten Jahrzehnten endlich emanzipiert und stehen Männern in nichts mehr nach. Zumindest in der Theorie. Denn praktisch sieht’s dann doch ein bisschen anders aus, man denke nur an die nach wie vor bestehenden Gehaltsunterschiede bei gleicher Arbeit. Aber hey, dafür haben wir ja Filme und Serien, die uns zeigen, was sich gehört und wie unsere Gesellschaft sich zu verhalten hat. Oder liegt genau da der Fehler begraben?
Denn werfe ich einen Blick auf die sogenannten „großen Serien“, die von herausragender Qualität sind und im breit gefächerten Mainstream angeschaut werden, wird schnell deutlich, dass immer die Männer den Ton angeben. Damit meine ich nicht mal die Arbeit hinter der Kamera (wobei auch hier fast immer Männer im Fokus stehen). Es geht um die Figuren selbst. Die frei erfundenen Charaktere, die als unser Vorbild erschaffen wurden. Sicher gibt es auch Ausnahmen, zum Beispiel American Horror Story oder Gilmore Girls, wo sich vor allem Frauen mit den gegebenen Problemen herumschlagen. Auch Buffy – Im Bann der Dämonen stellt ein Mädchen in den Vordergrund, das beim Anblick von Monstern nicht schreiend zusammenbricht, sondern im Gegenteil Jagd auf diese macht. Doch zum einen muss man letzteres Beispiel (leider) noch in den 90er Jahren ansiedeln und zum anderen bestätigen Ausnahmen nur die Regel. Selbst in den meisten „Frauenserien“ dreht sich wieder alles nur um die Männer, siehe zum Beispiel Sex and the City. Oder kennt ihr irgendeine Serie, wo die Hauptcrew aus vier männlichen Kumpels besteht, die sich die ganze Zeit nur über ihre Erlebnisse mit Frauen unterhalten?
Um meinen kritischen Blickwinkel besser darzustellen, ziehe ich populäre Serien als Beispiel heran. Dabei beziehe ich mich auch auf das Ergebnis einer aktuellen Umfrage nach den zehn beliebtesten Serien. Erwähnt werden sollte auch noch, dass diese Serien ausschließlich im 21. Jahrhundert entstanden sind. Diverse Spoiler lassen sich an manchen Stellen leider nicht vermeiden.
Männerdomäne als Grundvoraussetzung
Eine der beliebtesten Serien überhaupt ist Game of Thrones. Und niemand kann bestreiten, dass unter den zahlreichen Figuren auch starke Frauen vertreten sind. Dennoch handelt es sich an erster Stelle um ein Umfeld, das Männern den Vorzug gibt. Sie sollen die Führung übernehmen, der Thron wird ganz im mittelalterlichen Sinne weiter an den Sohn (nicht an die Tochter!) vererbt. Neben der rein männlich besetzten Nachtwache haben wir also (fast) nur Könige und andere führende Persönlichkeiten, die zum vermeintlich starken Geschlecht gehören. Selbst der Posten „Hand des Königs“ wird durchgehend an Männer vergeben. In diesem Sinne wird Asha Graufreud auch nur bedingt ernst genommen und konsequenterweise nicht zur Königin der Eiseninseln, nachdem sie sich selbst zur Wahl aufstellt. Zwar scheint sie einige Befürworter zu haben, doch im Endeffekt entscheiden sich die Eisenmänner lieber für ihren Onkel Euron. Die Begründung ist einfach: Es gab noch nie einen weiblichen König der Eiseninseln, warum also mit der Tradition brechen?
Auch Cersei Lannister sehnt sich danach, alleine auf dem (eisernen) Thron zu sitzen, was ihr im Laufe der Handlung auch gelingt. Dies kommt jedoch nur zustande, weil ihr Mann, ihr Vater, ihr Onkel und ihre beiden Söhne sterben. Da bleibt schlicht keine Konkurrenz mehr übrig. Denn unter ihren Brüdern ist der eine zum Tode verurteilt und gilt zusätzlich als verschollen, der andere lehnt sogar die Lordschaft des Familienhauses Casterlystein ab. Es mussten also sämtliche Männer aus dem Weg geräumt werden, damit eine Frau in Game of Thrones die Herrschaft an sich reißen konnte. Alternativ muss man wie Daenerys Targaryen eine herausragende Fähigkeit besitzen, die einen über alle anderen stellt. Denn wäre die Khaleesi nicht im Besitz ihrer Drachen und ihrer Immunität gegenüber Feuer, wäre sie längst als Witwe eines Khals im Dosh Khaleen untergebracht worden, statt durch die Weltgeschichte zu ziehen und Städte zu erobern. Ganz nebenbei ist sie auch noch offiziell das letzte Familienmitglied der Targaryens.
Kurz gesagt: In Game of Thrones haben immer die Männer das Sagen. Dies verhält sich nur anders, wenn man als Frau mit Superkräften ausgestattet ist oder es schlicht keine Männer mehr gibt.
Dass eine mittelalterliche Welt von Männern beherrscht wird, ist gar nicht so verwunderlich. Aber auch in der Neuzeit finden wir genug Räume, in denen Frauen nichts zu melden haben. Zum Beispiel, wenn es um organisiertes Verbrechen geht. Werfen wir also einen Blick auf das Drogengeschäft in Breaking Bad. Sobald Drogenhandel im großen Stil betrieben wird, verschwindet das weibliche Geschlecht zunehmend aus der Szenerie. Gerade bei diesem Thema ist Breaking Bad nur eins unter zahllosen Beispielen. Hauptperson Walter White (männlich) steigt als Newcomer ins Drogengeschäft ein und baut sich nach und nach sein Imperium auf. Unterstützung bekommt er anfangs vor allem von Jesse Pinkman (männlich), wobei die zwei es mit etlichen anderen Drogenbossen wie dem tyrannischen Tuco Salamanca (männlich) oder dem übermächtigen Gustavo Fring (männlich) zu tun bekommen. Da ihnen unter anderem auch Hank (männlich) von der DEA im Nacken sitzt, holen sie sich im Laufe der Handlung Hilfe bei Anwalt Saul Goodman (männlich), dessen treuer Helfer Mike (männlich) viele ihrer Probleme löst.
Natürlich gibt es auch in Breaking Bad Frauen, die irgendwie mitmischen wollen. Da wäre zum einen Walters Gattin Skyler, von der auch die Idee kam, über eine Autowaschanlage Geldwäsche zu betreiben. Insgesamt ist sie aber in das gesamte Drogengeschäft nur wenig eingeweiht und wird auch nicht besonders ernst genommen. Zum anderen taucht in der finalen Staffel eine Lydia auf, die ganz offensichtlich mehr involviert ist. Ironischerweise handelt es sich bei ihr um ein furchtbar ängstliches Nervenbündel, das aus Nervosität einfach sämtliche Mitwisser töten lassen (!) will und definitiv nicht für den Job gemacht ist. Als Zuschauer denkt man sich: Bitte ihr beiden Weiber, haltet euch einfach raus! Und man ertappt sich bei dem Gedanken, dass das Drogengeschäft Männersache ist. Aber warum muss das eigentlich so sein?
Kommen wir beim Thema „Männerdomäne“ zu einem letzten Serienbeispiel: Sons of Anarchy. Der Motorradclub, der nicht nur Bikes und Autos repariert, sondern sich auch illegalen Geschäften widmet, besteht zu hundert Prozent aus Männern. Klar, da gibt es auch die eine oder andere Ehefrau, die in der Serie auftaucht. Doch die Sons of Anarchy, die Gemeinschaft, die alles schaltet und verwaltet, besteht rein aus dem männlichen Geschlecht. Das zeigt allein der Titel, sonst hätte man die Biker ja auch „Kids of Anarchy“ nennen können.
Das Schlimmste an dem Ganzen ist beinahe der Verweis auf die Authentizität. Denn um die Handlung möglichst realitätsnah zu erschaffen, wurden echte Mitglieder der Hells Angels auf den Plan gerufen, um an der Serie mitzuwirken. Auch in diesem realen Club können Frauen keine Mitglieder werden. Ein wenig stellt sich dennoch die Frage, warum es erstrebenswert ist, daraus nicht nur eine Premiumserie zu basteln, sondern das Ganze auch noch aufzuziehen, als wäre es cool und wünschenswert. Und kehren wir der Mitgliedschaft erst mal den Rücken, so gibt es noch genug andere Elemente in dieser Serie, die ein komplett rückständiges Bild von Frauen und Männern zeichnen. Dass zum Beispiel Protagonist Jax Teller nicht einmal eine Windel wechseln kann, da es sich eindeutig um eine Aufgabe für das schöne Geschlecht handelt, ist geradezu erschreckend. In der Welt von Sons of Anarchy haben Männer und Frauen ganz klar ihren Platz und ihren eigenen Tätigkeitsbereich. Getauscht wird da nicht. Wo kämen wir denn da sonst hin? Womöglich noch ins 21. Jahrhundert?!
Männer als alleinige Hauptfiguren
Selbstverständlich greifen nicht alle Premiumserien auf ein Umfeld zurück, das von vornherein Männern den Vorzug gibt. Trotzdem hat es fast den Anschein, dass Hauptrollen lieber mit dem starken Geschlecht besetzt werden. Frauen sind also oft nur Randfiguren oder bleiben zumindest Charaktere, die weniger schillerndes Flair und Spannungspunkte in ihrer Persönlichkeit aufweisen. Beispiel The Big Bang Theory: In dieser Sitcom dreht es sich erstmalig um den Lifestyle von Hardcore-Nerds. Um Leute, die nach einem Einbruch Angst haben, dass ihnen die Comics geklaut wurden. Wieder einmal handelt es sich hierbei ausschließlich um Männer. Zwar spielt neben den vier Jungs auch Nachbarin Penny eine entscheidende Rolle, doch sie ist genau das Gegenstück zu den wissenschaftlichen Geeks. Zum einen platzt sie recht naiv und ungebildet in die Welt der Nerds und zum anderen hat sie auch nicht das geringste Verständnis für ihre Fan-Leidenschaft. Fast noch schlimmer erscheint das Ganze, wenn im Laufe der Handlung auch weibliche Wissenschaftlerinnen dazu stoßen, die sich zwar mit der Intelligenz der Männer messen können, jedoch ebenfalls so gar kein Interesse an Popkultur zeigen.
Warum gehören die weiblichen Hauptpersonen nicht dazu? Sie sind schrullig, sie sind alles andere als perfekt, aber sie sind einfach nicht das, was den Charme von The Big Bang Theory ausmacht. Häufig wird die Sitcom als reiner Abklatsch der Freundschaftsserie Friends bezeichnet. Und tatsächlich gibt es erstaunlich viele Parallelen: Das On-off-Pärchen Leonard/Penny beziehungsweise Ross/Rachel, der Karriereverlauf von Penny beziehungsweise Rachel, ein Café und eine Wohnung als Haupt-Handlungsort und noch vieles andere. Die Besonderheit an The Big Bang Theory ist also das Nerdtum. Die Besonderheit sind damit die Männer.
Bei unserem nächsten Beispiel Supernatural stehen gleich nur Männer im Vordergrund: Die Mutter wird bereits in der ersten Folge getötet, ebenso die Freundin von Bruder Sam. Also sind die Winchester-Jungs erst mal lange auf sich allein gestellt beziehungsweise auf der Suche nach ihrem Vater, der ja auch zum selben Geschlecht gehört. Ab der vierten Staffel schließt sich ihnen der Engel Castiel an und auch der ist – Überraschung! – keine Frau. Obwohl die Serie bereits auf die zwölfte Staffel hinausläuft, spielen Frauen allgemein stets eine untergeordnete Rolle. Dean hat beinahe ausschließlich One Night Stands. Und die Frauen, auf die Sam sich einlässt, sterben entweder oder erweisen sich als böse und … sterben.
Dieses regelmäßige Ausschalten von weiblichen Charakteren bezeichnete sogar Castiel-Darsteller Misha Collins als frauenfeindlich. Es gibt nahezu keine weibliche Figur, die in mehr als zwei Episoden auftaucht und dann nicht das Zeitliche segnet. Ein bisschen länger hielt Charlie Bradbury durch, die in der siebten Staffel debütiert und „erst“ in der zehnten zu Tode kommt. Bei ihr handelt es sich allerdings auch um eine homosexuelle Hackerin, die den Winchester-Brüdern nur behilflich ist, ohne jemals zum Love Interest der beiden zu werden. In Supernatural scheint das eine gewisse Bedeutung zu haben. Möglicherweise geht es hier auch nur darum, es den Fans recht zu machen. Außerdem haben die beiden Jungs bei der Jagd nach den ganzen Dämonen kaum Zeit für eine ernsthafte Beziehung. Nichtsdestotrotz stellen sich viele Fans und vielleicht auch nur Zum-Teil-Fans die Frage: Wo sind in dieser Serie die Frauen abgeblieben?
Als nicht viel besser erweist sich unser drittes Beispiel Sherlock. Ähnlich wie die bisher genannten Serien kann auch die moderne Adaption des Detektivs aus der Bakerstreet mit einem großen Fankreis aufwarten. Und gleichfalls mit männlichen Figuren, die den weiblichen Figuren definitiv die Show stehlen. Im Vordergrund stehen ohnehin der exzentrische Sherlock Holmes und sein loyaler Helfer Dr. John Watson. Zwei männliche Helden – kommt einem das nicht bekannt vor? Weiter geht es mit dem mächtigen Bruder Mycroft Holmes und Inspektor Lestrade, wobei sich der eine durch politischen Einfluss und der andere durch reine Polizeiarbeit immer wieder bemerkbar macht. Häufig greifen die beiden aktiv in die Handlung mit ein. Als Hauptgegner von Sherlock gilt James Moriarty – wieder ein Mann. Dieser taucht dementsprechend in mehreren Staffeln auf und scheint die einzig wirkliche Gefahr für unseren Meisterdetektiv darzustellen. Obwohl Professor Magnussen und manch anderer Kerl auch die einen oder anderen Probleme mit sich bringen.
Doch wie sieht es eigentlich mit Frauen aus? Immerhin tauchen Molly Hooper und Mrs Hudson immer wieder regelmäßig auf. Zwar als Nebenfiguren, deshalb jedoch nicht seltener als zum Beispiel Mycroft oder Lestrade. Im Gegensatz zu den Männern scheinen die beiden Damen allerdings für nichts anderes gut zu sein, als einen gewissen Humor in die Serie mit reinzubringen und ihren Sherlock anzubeten. Als ob er außerhalb der Serie nicht schon genug Fans hätte. Natürlich reicht deren Bewunderung nicht, also wurde noch für eine Folge Irene Adler ins Spiel gebracht. Wie in der Buchvorlage verdreht sie in der Serie Sherlock ein bisschen den Kopf. Noch mehr ist sie jedoch selbst von ihm angetan und kann deshalb am Ende der Folge von ihm zur Strecke gebracht werden. Wieder einmal ist der Mann der Frau haushoch überlegen.
Das schlimmste weibliche Beispiel in der Serie ist jedoch Johns Frau Mary. Während diese erst auf recht unscheinbare Art zum Seriencast dazu stößt, stellt sich im Laufe der Handlung heraus, dass es sich bei ihr um eine ehemalige Auftragsmörderin handelt. Um eine Auftragsmörderin?! Dies stellt einen unglaublichen Wandel ihrer Person dar, vom einen Moment zum anderen wurde sie von der braven Ehefrau zu jemandem, dessen Vergangenheit sich in kompletter Finsternis verbirgt. Dennoch geht die Serie nicht näher darauf ein! (Oder zumindest noch nicht.) Nach einer kurzen Zeit des Schmollens verzeiht ihr Watson ihre Lügen und will auch gar nicht darüber informiert werden, mit wem er es eigentlich zu tun hat. Ganz geschweige davon, dass dies ein merkwürdiges Verhalten für einen Ehemann darstellt, wollten wir Fans vielleicht doch ein wenig mehr wissen! Wobei … Mary ist ja nur eine weibliche Figur, auf die man nicht näher eingehen muss.
Männer als chronische Anführer
Offenbar entscheidet man sich beim Handlungsort einer neuen Serie gerne für ein Umfeld, in denen Männer automatisch das Sagen haben. Gerne werden auch die Hauptdarsteller von vornherein mit den Herren der Schöpfung besetzt. Doch natürlich gibt es auch beliebte Serien, in denen gleichermaßen Männer und Frauen auftauchen und die gegebene Domäne nicht zwingend den einen bevorzugt. Werfen wir also einen Blick auf unsere letzten Beispiele. Als besonders populär in unseren Fanreihen erweist sich die Serie Doctor Who. Es lässt sich nicht leugnen, dass auch hier ein Mann die erste Geige spielt. Immerhin handelt es sich bei dem Doctor um einen (außerirdischen) Time Lord, der mit seiner TARDIS durch sämtliche Galaxien und Zeitepochen fliegt. Als ob das nicht schon beeindruckend genug wäre, altert der Doctor nicht. Zusätzlich kann er sich selbst regenerieren und in einen neuen Körper mit neuer Persönlichkeit gelangen, wobei es sich jedes Mal um einen männlichen handelt. Unter diesen Grundvoraussetzungen scheint es von Beginn an schwer zu sein, noch in irgendeiner Weise mit dem Doctor mithalten zu können. Er ist definitiv der Anführer, während ihm seine wechselnden Begleiter – die meistens weiblich sind – kaum das Wasser reichen können.
Nichtsdestotrotz spielen die Begleiter eine große Rolle. Sämtliche der (meist) jungen Frauen sind stark in die Abenteuer des Doctors involviert und tragen durchaus ihren Teil dazu bei. In den Anfängen des ersten Doctors kam es teilweise sogar vor, dass seine Begleiterin die Fehler wieder ausbügelt, die der Protagonist selbst verursacht hatte, siehe zum Beispiel Barbara Wright. Diese Folgen spielten sich allerdings in den Sechziger Jahren ab. Werfen wir nun einen Blick auf die erste weibliche Mitläuferin in den Doctor Who-Folgen des 21. Jahrhunderts, haben wir es mit Rose Tyler zu tun. Zwar ist das Arbeiter-Mädchen durchaus sehr mutig, hat aber sonst nicht viel vorzuweisen. In nahezu jeder Folge läuft es darauf hinaus, dass sie vom Doctor gerettet werden muss. Wenn das aus feministischer Sicht keine tragische Entwicklung ist …
Doch wie sieht es zum Beispiel mit der Mystery-Serie Lost aus? Nach einem Flugzeugabsturz finden sich zahlreiche Passagiere unterschiedlichster Herkunft auf einer geheimnisvollen Insel wieder. Unter ihnen befinden sich mindestens ebenso viele Frauen wie Männer. Es gibt also keine klare Tendenz zu einem Geschlecht. Auch das Umfeld gibt einem nicht vor, wer das Sagen hat. Immerhin sind diese Leute zum einen im 21. Jahrhundert aufgewachsen, wo Gleichberechtigung großgeschrieben wird. Zum anderen finden sie sich in einer Situation wieder, wo erst einmal eigene Regeln aufgestellt werden müssen. Bereits von Beginn an wird die Rolle des Anführers Jack Shephard zugewiesen, möglicherweise weil er Arzt ist. Die anderen fassen schnell Vertrauen zu ihm. Als wohl entscheidungsfreudigste Frau in dieser Runde erweist sich Kate Austen, die jedoch Jack die Treue hält und sich sogar in ihn verliebt. Personen, die sich zum Teil gegen Jack stellen und ihre eigene Dominanz herauskehren, sind eher John Locke oder James Ford aka „Sawyer“, also Männer. Doch es geht noch besser.
Im Laufe der Handlung stellt sich heraus, dass die Gestrandeten nicht die einzigen Menschen auf dieser Insel sind. Es gibt da noch die sogenannten „Anderen“, wobei die Gruppierung vordergründig von Benjamin Linus angeführt wird, einem Mann. Einer seiner direkten Konkurrenten, wenn es um die Kontrolle über die Insel geht, ist Charles Widmore. Der eigentliche Drahtzieher aus dem Hintergrund ist jedoch der dubiose Jacob, der mit den Anderen vor allem über seinen Vermittler Richard Alpert kommuniziert. Gegen Ende zeigt sich, dass Jacob der wahre Anführer und Hüter der Insel ist, wobei ihm sein Bruder als „Mann in Schwarz“ immer wieder in die Quere kommt. Zwar gibt es auch dutzende Frauen in Lost, doch die führenden und entscheidenden Positionen wurden ausschließlich an Männer verteilt. Einen erkennbaren Grund gibt es dafür nicht.
Kommen wir damit zu unserem letzten Beispiel: der beliebten Zombie-Serie The Walking Dead. Ähnlich wie in Lost gibt es hier kein Geschlecht, das anzahlmäßig herausragt. Auch das Umfeld des 21. Jahrhunderts ist gegeben, obwohl die erste Aufgabenverteilung unserer Hauptfiguren erstmal an die Steinzeit denken lässt. Denn während sich beinahe ausschließlich die Männer mit Waffen der Zombiejagd und Nahrungsmittelsuche widmen, bleibt der Großteil der Frauen zurück, um die Wäsche zu waschen! Die einzige Frau, die dagegen protestiert, ist Andrea. Diese wird jedoch von Beginn an etwas lästig und jammernd in Szene gesetzt, wodurch sie von den meisten Fans als unsympathisch empfunden wird. Am Rande: Bei ihrem ersten Auftritt hält sie Hauptperson Rick Grimes eine Pistole unter die Nase, einfach nur weil es sie nervt, dass der Rest ihrer (männlichen) Begleiter ihn retten wollte.
Nun lässt sich nicht abstreiten, dass im Laufe der Handlung auch Frauen zunehmend zu den Waffen greifen und nicht mehr auf die Männer angewiesen sind, wenn es darum geht, sich gegen Zombies oder andere zu verteidigen. Die Führungsgewalt bleibt jedoch eindeutig den Männern vorbehalten. Rick Grimes mausert sich recht schnell zum dauerhaften Anführer und muss sich am Anfang nur ein wenig mit seinem Freund Shane oder dem Farmbesitzer Hershel um die Entscheidungsgewalt streiten. Noch auffälliger ist der erste große Kampf gegen einen anderen Anführer, Governor Philip Blake aus Woodbury. Später landet Ricks Truppe im beschaulichen Alexandria, das sich anfangs tatsächlich noch in den Händen einer Frau befindet! (Dies stellt übrigens einen Unterschied zur Comic-Vorlage dar). Die ehemalige Kongressabgeordnete Deanna Monroe erkennt jedoch recht schnell das Potential in Rick und gibt innerhalb kürzester Zeit ihre Autorität an ihn ab. Sämtliche bekannte Gruppierungen werden damit in den aktuellen Folgen von Männern geleitet. Alexandria von Rick Grimes, die Hilltop Community von einem Mann namens Gregory, der selbst ernannte Ort The Sanctuary vom berüchtigten Negan und das exotische Kingdom von „König“ Ezekiel. Dann gibt es zwar noch den dubiosen Frauen-Clan, in den Tara zufälligerweise stolpert. Auffällig ist hierbei jedoch das prinzipielle Fehlen von Männern. Hier ist das zarte Geschlecht also nur sein eigener Boss, da Männer gar nicht anwesend sind. Frauen dürfen in modernen Serien stark sein. Aber sobald Männer dazu kommen, haben sie nicht das letzte Wort.
Ein Blick auf die beliebtesten Serien des 21. Jahrhunderts macht deutlich: Männer geben den Ton an. Wenn keine mittelalterlichen Umstände, Drogengeschäfte im großen Stil oder Motorradclubs den Männern die Führungsgewalt erteilen, dann werden die wichtigen Rollen eben gleich nur mit Männern besetzt. Und wenn auch das nicht der Fall ist, fallen zumindest die Chefposten dem starken Geschlecht zu. An dieser Stelle sollte noch einmal betont werden, dass es auch Gegenbeispiele gibt. Doch sie befinden sich in der krassen Unterzahl. Natürlich müssen jetzt nicht alle kommenden Serien eine Frau zum Boss machen. Aber eine ausgeglichene Balance wäre ja schon mal ein Anfang für unsere angeblich aufgeschlossene Zeit.